Logbuch
DAS MARS-MÄRCHEN.
Uns erscheinen Märchen ja nicht mehr als höhere Wahrheit, sondern erfundener Unsinn. Darin ist Elon Musk ein Meister, wenn er uns erzählt, dass der Mars zu besiedeln sei. Er will mit seinen Raketen eine Art Pendelbusverkehr einrichten. Gelegenheit darüber nachzudenken, was das ist, ein TRIVIALMYTHOS, so ein Märchen als Mittel zum Zweck. Zu welchem Zweck?
Ich lese einen Beitrag eines amerikanischen Wissenschaftsjournalisten, der über alle Spekulationen zürnt, dass der erdähnliche Planet je und überhaupt von Menschen besiedelt werden könnte. Dabei lerne ich, dass der rote Kollege am Firmament keine Magnetosphäre hat, somit schutzlos allen mörderischen Strahlungen ausgeliefert ist; niemals wird er eine Biosphäre möglich machen. Das macht mich weniger skeptisch als die irdischen Begründungen, die der kalifornische Auto-Didakt (pun intended) für seine Expansionsphantasien heranzieht.
Die Erde sei überbevölkert, jedenfalls demnächst, und es ginge um das Überleben des Bewusstseins. Da hätten Kant und ich die Frage, ob er es auch eine Nummer kleiner hat. Zudem kann niemand, der im Winter mal durch Meck-Pomm gefahren ist, das mit der Überbevölkerung nachvollziehen; aber das ist, wie Kipling sagt, eine andere Frage. Bleiben wir bei dem Staunen der europäischen Eliten über die „Gerade-heraus-Lügen“ aus der Neuen Rechten in den USA. Nun, die Mimosen hierzulande sind, sorry to say, Frau Maischberger, zu ungebildet, sprich geschichtslose Moralisten. Es wird nämlich eine alte Geschichte nur wiedererzählt.
Darf man erinnern, was die symbolische Besiedlung des Mondes unter John F. Kennedy war? Eine Reaktion auf den Sputnik-Schock und eine koloniale Geste par excellence. Die amerikanische Fahne wurde in den Boden des Mondes gerammt. Gehen wir weiter zurück. Der rote Planet ist schon von den Antiken bemerkt worden und nach ihrem Kriegsgott Mars benannt. Er hat zwei Sterne, die Phobos und Deimos heißen, zu deutsch: Furcht und Schrecken. Damit ist alles gesagt. Es geht um Krieg. Wir erleben einen TRIVIALMYTHOS der Rüstung; nichts sonst.
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KILL BY SMILE.
Wer ein Geschäft hat, muss lächeln können. Das ist ein Kaufmanns Spruch, der ein rüderes Wort aus den Weisheiten begattungswilliger Burschen abwandelt. Die gesellschaftsfähigere Variante des maskulinen Mottos war immer, dass der Kunde König sei. All diese Alltagsweisheiten sind in der DIGITALISIERUNG verloren gegangen.
Viele klassische Anbieter im Internet halten es für angebracht, Ohrfeigen zu verteilen. Man verwechselt die Vergewaltigung mit dem Flirt.
Ich erzähle mal das Ding mit den Oberhemden. Früher nahm ich mir das klassische Oxfordhemd aus der Jermin Street mit, wenn ich ohnehin in London war. Dann schickten sie mir Kataloge. Mein Vorrat stieg, weil ich bei der Postbearbeitung nie an deren Katalog vorbeikam. Stets habe ich bestellt und noch irgendetwas hineinsticken lassen, konnte also nie umtauschen. Dann war ihnen das Papier zu teuer, sie wandelten den Katalog zur Brücke; man musste von der Website aus bestellen. Und mit Paypal zahlen. Nachdem nun der x-te Versuch gescheitert ist, für mein Ponem Geld locker zu machen, um das Scheiß-Shirt zu kriegen, habe ich den Newsletter abbestellt. Es lächelt nun niemand mehr, weder der britische Schneider noch der deutsche Schlipsträger noch der elektronische Bezahl-Kumpel (denn das heißt Pay Pal eigentlich).
Ich könnte meine Verärgerung an Beispielen aus der Publizistik erläutern; Stichwort BEZAHLSCHRANKE. Zustände wie im Türstehergewerbe. „Heute leider nicht!“ Im Klartext: Du kommst hier nicht rein, Alta!
Apropos Kumpel. Ich hab dann noch Apfel-Pay; das klappt wunderbar. Ich muss an der Tanke mein Handy anlächeln und komm vom Hof. Alles gut. Die gleiche Erfahrung mit AMAZON. Man kriegt alles und zwar an die Tür gebracht und wird notorisch über die saftigen Retailpreise hinweggetäuscht, indem die Tonalität stimmt: alles, sofort und zwar günstig. Eine abgestufte Wahrheit. DIGITALISIERUNG im Vertrieb ist keine Frage des „ob“, sondern eine Frage des „wie“. Bei manchen Anbietern ist die Sperrigkeit für meine Begriffe gewollt; man hat gar keine Lust mehr auf „retail“, weiß nur noch nicht so richtig, wie man den alten Kunden los wird.
Warum sonst kann eine Großbank germanischen Namens nicht, was einer Spaß-Kasse perfekt von der Hand geht? Weil sie gar nicht will. Womit wir wieder am Anfang sind. Junggesellenerfahrung: Wenn sie gar nicht will, nützt auch das Lächeln nicht.
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UNSERE DAMEN.
Was in der Sprache der PR eine „event location“ ist, das dürfte mit der Wiedereröffnung von NOTRE DAME in Paris klar sein, es sind die Bretter, die die Welt bedeuten, der Theaterboden, auf dem ein Stück aufgeführt wird. Die Medien konzentrieren sich in Paris auf die Bilder mit dem alten und nun wiedergewählten Präsidenten der USA, Donald Trump. Auch seine Begleitung durch den Unternehmer Elon Musk wird ins Zentrum der Berichterstattung gerückt. Das deutsche Staatsoberhaupt sitzt in der zweiten Reihe und bleibt unbeachtet.
Darf ich erwähnen, dass es sich bei NOTRE DAME um eine Kathedrale handelt? Das ist ein katholisches Gotteshaus. Es entstammt dem 12. Jahrhundert; es ist damit ein Ikon des europäischen Christentums. Selbst die Französische Revolution hat es nicht geschliffen, sondern zum TEMPEL DER VERNUNFT umfirmiert. Dazu muss man angesichts des Marienkultes um unsere LIEBE FRAU schon tief Luft holen, aber doch ist der Ort dadurch nicht wirklich geschändet.
Nun also der Tanz um das Goldene Kalb. Man macht sich in deutschen Medien Sorgen um unseren Ruf in der Welt, weil der Scholzomat auf den Götzenbildern fehle und die vielversprechende Außenministerin. Und der Architekt der deutsch-russischen Gas-Allianz nur in der zweiten Reihe hocke, unbeschienen von den Blitzlichtern, die die Welt bedeuten. Diese Sorge teile ich nicht.
Ich bin unmusikalisch in Dingen der Religion, aber doch nicht wirklich zu Gotteslästerungen aufgelegt oder zu Krönungsgottesdiensten. Ich wähle diese meine Worte mit Bedacht. Man wird wissen, was ich meine, wenn bei einem künftigen Event mein Vaterland wieder in der ersten Reihe sitzt und die Blitzlichter unsere Damen erleuchten, Frau Le Pen mit Frau Meloni, zusammen mit der deutschen Kanzlerin Alice Weidel, begleitet von der Außenministerin Frau Wagenknecht.
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NARRATIVE.
Karfreitag ist, so höre ich, gestrichen, Ostern untersagt. Corona und Christus, das geht halt nicht. Anlass genug von Weihnachten zu reden. Dass das neugeborene Jesuskind der verheißene Messias sei, will das Neue Testament auch durch drei Heiden belegen, die einem Stern gefolgt seien, der die Ankunft des Königs der Juden bezeuge. So übersetzt Luther. Mit der Legendenbildung geht es noch nicht im Matthäus-Evangelium, sondern erst im 6. und dann im 12. Jahrhundert nach Christi Geburt so richtig los. Die HEILIGEN DREI KÖNIGE waren dann nämlich angeblich der Grund, den Kölner Dom zu bauen, genauer gesagt, ihre Reliquien. Die hatte der kriegswütige Friedrich Barbarossa zuvor bei der Zerstörung Mailands entwendet, zu seiner Kriegsbeute gemacht und dem neuen Erzbischof von Köln, Rainald von Dassel, zum Geschenk. BAUDOLINO erzählt, dass er die gut erhaltenen Leichname der Sternendeuter aus dem Morgenland aus der Mailänder Krypta klaubte, wie frisch verstorben seien ihre Antlitze gewesen, zwei von weißer Haut und einer ebenholzfarben. Da im Neuen Testament nur Matthäus die Magiere überhaupt erwähnt habe und dann noch Anzahl (drei oder zwölf ?) wie die Namen vergessen, habe er sie kurzerhand Caspar, Melchior und Balthasar genannt. Damit nicht genug: Er habe die Leichen zudem umziehen müssen, weil ihre Kleidung nicht authentisch gewesen sei; er beschwert sich über orientalisch anmutende Pumphosen der Herren und alberne Kopfbedeckungen. Man habe mit viel Mühe im brennenden Mailand bischöfliche Kleidung für die drei zusammensuchen müssen. Wenn der neue Erzbischof von Köln sie zu seiner Weihe mit in die Stadt am Rhein nähme, dürften sie nicht aussehen wie irgendwelche dahergelaufenen Magiere, selbst wenn der Schrein ja nicht offen stünde. Die Debatte um das AUTHENTISCHE ist bis heute nicht abgerissen. Man stößt sich nun an Balthasar; aber das ist, wie Kipling sagt, eine andere Geschichte. Wesentlich erscheint mir, dass das AUTHENTISCHE eine Frage der Erwartungshaltung ist. Als authentisch gilt, was die Erwartung von dem Wesen einer Sache besonders gut erfüllt. Diese Vorurteile, Ressentiments, legen fest, was als echt gilt und was als gefälscht. Das Authentische ist eine Inszenierung, die sich selbst als Inszenierung leugnet. Ohne geeignete Inszenierung ist das Authentische halt weniger authentisch. Oder, wie BAUDOLINO sagt: „Nicht die Reliquie macht den Glauben, sondern der Glauben die Reliquie.“