Logbuch

POLITISCH CLEAN.

Niemand sagt mehr das böse Wort. Ich lausche in Brüssel der Leitung der Kommission, mit Ständigen Vertretern rede ich und den Herren der bürokratischen Silos, den Generaldirektoren, ich diskutiere mit führenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments UND keiner sagt das böse Wort. Dabei war des G-Wort mal der Passepartout zu allen Türen. Es gelten die Chatham-House-Regeln, nach denen man die Quellen seiner Erkenntnisse geheim hält, aber das neue Wissen teilen darf. Ich bemerke also, dass die Hegemonie des Grünen gebrochen ist.

Die Elite der politischen Klasse räumt noch ein, dass es so etwas wie ÖKOLOGIE als Aufgabenfeld geben kann, hinter den ökonomischen Verwerfungen. Allgemeine Auffassung scheint aber, dass der deutsche Weg einer Transformation, die sogenannte Energiewende, vor allem eins ist, zu teuer. Ökonomisch gescheitert. Das bekümmert Nationen mit schmalerem Haushalt, weil sie es sich nicht leisten können, Milliarden zum Beispiel in den Netzausbau zu stecken. Und zugleich jene, die ihre Staatsverschuldung nicht in die astronomische Höhe von Italien und Frankreich treiben wollen. Schweden wird zu meiner Überraschung als Vorbild genannt. Jedenfalls folge keiner der anderen 26 EU-Nationen dem deutschen Weg, sagen mir die Spitzen der drei EU-Säulen.

Anders ist die Stimmung im Bauch der Macht, den Fraktionen des Parlaments und bei den verschlafeneren Bürokraten wie der Lobby der nutznießenden Industrie. Hier fällt noch mal verschämt das G-Wort. Eigentlich aber schwenken alle auf ein neues Paradigma ein. Man will „clean“ sein, nicht mehr „green“. Damit ist die parteipolitische Assoziation zu den Grünen getilgt und eine Selbstverständlichkeit zur Parole erhoben. Man will Industrie hierzulande möglichst sauber; wer könnte dagegen etwas haben.

Ansonsten versetzen die neuen politischen Kräfte in Europa und Trump II die Köpfe wie die Bäuche der Macht, sprich die Verwalter der europäischen Idee, in einen Attentismus, der sich nach den aktivistischen Exzessen grüner Symbolpolitik anfühlt wie ein Kater. Man will künftig auch insofern clean bleiben. Es ist mehr als der Wunsch, nüchtern zu bleiben; es ist tiefe Ernüchterung. Man gähnt in Brüssel und wartet ab. Da ist was im Rohr. Rückabwicklungen könnten kommen.

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UNTERHAKEN.  

Wir sollen uns also unterhaken und unseren Anführer zum Jagen tragen. Fassungslos lausche ich der Eunuchenrede des SPD-Vorsitzenden. Eine ehrliche Haut, ja, aber vielleicht auch ein Trottel? Gegen die Chiffren-Kasperei des roten Kanzlers wirken alle seine Konkurrenten inspiriert. Der Märchenonkel des Grünen, der stocksteife Notar aus Brilon, das braune Perlhuhn und der liberale Schaumschläger. Die SPD vergeht derweil vor Sehnsucht nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerd Schröder. Sie ist inhaltlich wie personell führungslos. „Nur wer selbst begeistert ist, kann auch andere begeistern.“ Wer erinnert das noch?

Dies ist politisch gesehen ein guter Wahlkampf, insofern große Geschütze aufgefahren werden. Ich zeige es mal am Strom. Die einen haben die Kernkraft geschliffen, die anderen werden alle Windmühlen als Schandmale abreißen. Erdgas ist Heilsbringer, wenn norwegisch oder amerikanisch gefrackt; des Teufels, wenn aus Sibirien. Alle Fossilen sind untergangsgeweiht; es helfen nur Batterieautos und Akku-Raketen zum Mars. Rampe in Grönland. Remigration der Dänen an den Kleinen Belt. Anything goes.

Ich wurde als Montaner so sozialisiert, dass Importabhängigkeit immer ein nationales Problem und Öl den Scheich reich macht; dass man beim Gas bewusst alle Produzenten in einer Balance hält, alle heimischen Energien maximal gefördert werden und eine verstaatlichte Kernwirtschaft die nötige Grundlast fährt. Siehe Frankreich. Hat auch nicht geklappt, will ich einräumen. Und was ich gedacht habe, als dann Elon Musk hierzulande wegen TESLA der Hof gemacht wurde, das sage ich nicht.

Jetzt also unterhaken und den zahnlosen Scholz über die Ziellinie schleppen. Na gut. Und dann macht er eine Ampel, will aber diesmal früher auf den Tisch hauen, wenn sich einer der Partner einem Verfassungsbruch widersetzt, sagt er. Ich fürchte, das wird so ausgehen, dass diese neue Ampel eher die Farben schwarz, grün, gelb zeigt und Fritze nach drei Jahren da ist, wo auch Olaf die Luft ausging. Oder eben GROKO mit Fritze als Chef und Olaf als Pudel. Dann fällt die Schuldenbremse und wir prosperieren passim passabel auf Pump.

Wie gut, dass man auch eine Depression auf Kasse behandeln lassen kann. Habe ich doch Gesundheitskarte! Dann singen wir bald in der Klapse miteinander: „You never walk allone.“ Untergehakt.

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MASSENMEDIEN.

„Zum Regieren brauche ich nur Bild, BamS und Glotze!“ Der Satz ist gerade mal 15 Jahre alt und stammt von dem politischen Genie Gerd Schröder (den ich nach wie vor schätze). Man muss aber schon nach anderthalb Jahrzehnten erklären, worauf er sich bezog. Zwei Boulevardblätter aus dem Hause Springer und das öffentlich-rechtliche Fernsehen; beide damals noch in voller Pracht und Macht. Schröders proletarischer Affront galt den „Pinseln“ bei den gehobenen Blättern aus Frankfurt und München, auch dem SPIEGEL, der lange bevor er Hamburg berühmt machte, aus Hannover, Schröders Hood, kam.

Der Bonapartist Schröder hatte recht. Die Wissenschaft war damals indigniert, so wie sie heute fassungslos vor dem Erfolg von X und TikTok steht. Die Wissenschaft von den Medien versteht nicht, was heute Massenmedien sind. Es gibt das profanere Unverständnis an den Fachhochschulen und das gehobene von den Universitäten, namentlich aus Tübingen. Aber ich selbst bin emeritiert und habe keine Kollegenschelte mehr zu bieten. Das Fach liegt in den Händen einer neuen Generation. Und das ist gut so.

Als Zeitgenosse sehe ich aber doch, dass Auflage und Reichweite von Medien in einer neuen Dimension gelandet sind. Die BamS (BILD am Sonntag) verkauft knapp 500.000 Exemplare; das ist doppelt so viel wie die FAZ. Das wiederum ist ein Tausendstel der Follower von Elon Musk auf seinem persönlichen Account bei X, Faktor 1000, der wiederum millionenfach multipliziert wird. Meine Mathe reicht für diese Reichweite nicht mehr. Ich höre aber von anderen alten Profs, dass man das nicht ernstnehmen solle, da solche Zahlen noch nichts über faktische Wirkung sagten. Man nähert sich mit der Pipette dem Tsunami.

Diese Verachtung der digitalen Moderne aus den Altersheimen der Wissenschaft erinnert mich an die Verachtung in den klösterlichen Kopierstuben gegenüber dem Unsinn des Gutenberg mit seinen beweglichen Lettern. Die Patres sagten dem Buchdruck wenig Erfolg voraus und tauchten mit erhabener Geste den gespitzten Gänsekiel ins Tintenfass. Heute betteln künftige Kanzler um ein Quäntchen jener Aufmerksamkeit, die Rechtspopulistinnen in Plaudereien mit dem Oligarchen Elon M. mal eben so nebenbei mitnehmen. The medium is the message, stupid.

Die Frage ist nämlich nicht, ob Alice Weidel gut war in ihrem Gespräch mit dem kalifornischen Oligarchen (sie war schlecht); die wirklich wichtige Tatsache ist, dass die gesamte politische Klasse darauf starrt. Marginalisieren geht anders, lieber Herr Merz. Und Giorgia Meloni ist sehr gut mit Elon Musk, alle Achtung. Ja, die Enkelin Mussolinis. Dagegen wird nicht helfen, dass viele Universitäten gerade ihren X-Account löschen. Es gab in der klösterlichen Bibliothek schon immer Giftschränke, in denen Werke standen, die die Inquisition nicht gelesen haben wollte. Das hat weder Gutenberg noch Luther noch den Teufel aufgehalten.

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MERKEL DÄMMERUNG.

Zwischen der Kanzlerin und ihren Ministerpräsidenten soll es erheblich geknirscht haben. Zeitenwende. Die ENTZAUBERUNG von MUTTI hat begonnen. Man bemerkt die wirkliche Erosion der Macht immer nur an der wachsenden Distanz der Freunde. Dass die rechten Ränder der Politik schon lange Merkelhasser waren, beweist nichts. Dass aber jetzt auch die alten Anhänger schmerzverzerrt das Gesicht verziehen, zeigt eine Wende. Die Entzauberung des Charismatischen ist eine Sinuskurve, einmal über den Scheitelpunkt geht es nur noch runter. Das werden wir nun an der Reaktanz auf die (alternativlose) Seuchenpolitik erleben. Die Leute werden die (alternativlose) Bevormundung leid. Merkel wird es ergehen wie KOHL, den sie einst stürzte. Oder wie SCHRÖDER, der den Respekt, den er eigentlich verdiente, nicht erhielt und nun auch noch trotzig verwirkt. Die wirkliche Rache kommt von den Enttäuschten; alte Verehrer, die der Frust geholt hat, sind bitter. Bitternis sucht Genugtuung in Rache. In der Sprache des Theaters: Frau Merkel hat den rechtzeitigen Abgang verpasst; jetzt wird es, sorry to say, hässlich. Mutti erlebt nun die Pubertät ihrer Kinder, die keine mehr sein wollen. In den Redaktionen sitzen die Edelfedern schon an den Nachrufen, wetten?